Von Istanbul via Holland in unsere Hausgärten

Der April gehört den Tulpen: Mit ihrer Leuchtkraft feiern sie den Frühling in kräftigen Farben. Die Zwiebelblume passt in jeden Garten. Im Naturgarten vermehren kurzstielige Wildformen sich ohne unser Zutun und blühen jedes Jahr üppiger. Ihre edle Schwester hingegen ist dankbar für eine Düngerzugabe (Kompost oder Hornspäne) im Herbst oder kurz vor dem Austrieb. Dann präsentiert sie ihre Blütenpracht auf hohem Stiel. Gezüchtet werden Tulpenzwiebeln vor allem in Holland. Wie es dazu kam, ist eine spannende Geschichte.

Tulpen

Tulpen als Talisman

Noch im 14. Jahrhundert war die Tulpe in Europa völlig unbekannt. Dafür verehrten die Osmanen sie als heilige Blume. Sie galt als Schutz vor Unglück – zum Beispiel in der Schlacht. Weil aber die Religion jede bildliche Darstellung untersagte, war es verboten, eine Tulpe auf dem Kriegsbanner oder auf der Kleidung zu tragen. Also stickte man ihre Gestalt auf die Leibwäsche. Ein solches Hemd aus dem Grab eines osmanischen Feldherrn ist im Museum für türkische und islamische Kunst zu sehen. Der Kriegsherr trug es unter seinem Waffenrock – vorne mit Versen aus dem Koran bestickt und auf der Rückseite mit Tulpen.

Tulpen auf der Leibwäsche

Tulpen als Quelle der Freude

Nachdem Istanbul 1453 zur Hauptstadt des osmanischen Reichs wurde, begann Sultan Mehmet I dort seinen Palast zu bauen. Der Sultan selbst war ein leidenschaftlicher Gärtner und sammelte Blumen aus dem ganzen Land. Innerhalb weniger Jahrzehnte errichtete er entlang des Bosporus und des Marmarameers mehr als 60 Privatgärten. Die osmanischen Gärten bestachen vor allem mit ihrer Opulenz und Farbenpracht. Die Tulpe zog man als Königin der Blumen allen anderen vor. Als drei Generationen später Süleyman der Prächtige den Thron bestieg, breitete er sein Reich nach Osten und Westen weiter aus. Unter ihm galt die Tulpe als türkische Blume schlechthin und wurde zum beliebtesten Motiv osmanischer Handwerkskunst. An Süleymans Hof wirkte auch der erste Gärtner, der sich ausschliesslich der Tulpenzucht widmete.

Tulpen als Prestigeobjekt

In Europa legte man in der damaligen Zeit ausschliesslich Nutzgärten mit Gemüse oder Heilkräutern an. Die Kunde von der Kultivierung von Blumen aus reiner Freude verbreitete sich jedoch schnell und weckte die Begehrlichkeit der europäischen Adligen. So tauchte die Tulpe im Laufe des 16. Jahrhunderts in vielfältigen Varianten auch in den Städten Europas auf.

Tulpen im Garten

Carolus Clusius, Erforscher der Tulpe

Über das Frachtschiff eines Tuchhändlers fand ein Päckchen Tulpenzwiebeln aus dem osmanischen Reich seinen Weg zum berühmten Arzt und Botaniker Carolus Clusius. Dieser hatte 1593 von der medizinischen Fakultät der Universität Leiden den Auftrag erhalten, einen akademischen Garten anzulegen. Dort erforschte und kategorisierte er neben Arzneipflanzen und exotischen Neuheiten auch die Tulpe. Mit seinem Werk legte er eine solide Basis für viele leidenschaftliche Züchter. Durch Clusius wurden die Niederlande zum Tulpenland schlechthin..

Florierender Tauschhandel mit Tulpenzwiebeln

Schon im frühen 17. Jahrhundert existierte ein reger Tauschhandel zwischen Holland und Deutschland. Damals begann man, für die Blumenzüchter und Tulpenliebhaber Pflanzenkataloge zu drucken. Die mit Aquarellen und Gouache-Zeichnungen illustrierten Tulpenbücher dienten den Züchtern auch als Verkaufskataloge. Wer eine neue Sorte schuf, durfte sie beliebig benennen. Um ihre unübertrefflichen Eigenschaften zu betonen, erhielten viele Neuzüchtungen hochtrabende Namen wie zum Beispiel „Admiral van der Eijck“.

Der Handel mit Tulpen

Die Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts

Wurden Tulpenzwiebeln ursprünglich nur unter Botanikern und Liebhabern gehandelt, legten nun immer mehr Amateurgärtner einen Tulpengarten an. Zahlreiche Handwerker, Bauern und Arbeiter wollten sich die Chance, leichtes Geld zu verdienen, nicht entgehen lassen und stiegen ebenfalls ins Tulpengeschäft ein. Die neuen Händler hatten keinen Bezug mehr zu den Züchtern. Stattdessen nahmen sie sich die Börse zum Vorbild und verkauften die Zwiebeln per Auktion, sodass die steigende Nachfrage und die Gewinnmaximierung der Händler die Preise in schwindelnde Höhen trieben. Rastlos wurde nach immer neuen Sorten gesucht. Der höchste Preis, der je für eine Tulpe bezahlt wurde, betrug 5200 Gulden. Dieser Betrag übertraf das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Grosskaufmanns um rund 70 %.

Der grosse Crash

Eines Morgens im Februar 1637 eröffnete in Haarlem ein Händler den neuen Handelstag, indem er ein Pfund Tulpenzwiebeln für 1250 Gulden zum Verkauf anbot. Kein Gebot. Schritt für Schritt senkte er den Preis, doch keiner wollte seine Zwiebeln kaufen. Mit einem Schlag wurde den perplexen Anwesenden bewusst, dass sie einer Spekulationsblase aufgesessen waren. Viele hatten sich verschuldet, um sich am Geschäft mit den Tulpenzwiebeln zu beteiligen. Panik machte sich breit. Jeder wollte nur noch verkaufen, doch Käufer gab es keine mehr. Bald schwappte der Preiszerfall von Haarlem auf die anderen Handelsplätze über, bis schliesslich der gesamte Tulpenhandel stillstand.

Holland bleibt das Land der Tulpen

Der Tulpenhandel war tot. Die Tulpe aber lebt weiter. Trotz dem Platzen der Blase haben die Niederlanden ihren wichtigen Wirtschaftszweig des Tulpenanbaus und des Blumenhandels dem damaligen Tulpenwahn zu verdanken.

Quelle: Mike Dash: Tulpenwahn – Die verrückteste Spekulation der Geschichte